China setzt auf Begrenzung Mit Verboten gegen die Smartphone-Sucht von Kindern
Stand: 29.09.2025 12:48 Uhr
In Deutschland wird ein Handyverbot an Schulen diskutiert, in China gibt es das Verbot schon – auch, um gegen die Abhängigkeit vieler Kinder und Jugendlichen vorzugehen. Denn die ist ein ernstes Problem.
Von Katharina von Tschurtschenthaler, ARD-Studio Peking
Die Flasche sieht aus wie eine ganz normale Trinkflasche – und das Buch wie ein ganz normaler Roman, etwa 500 Seiten stark. Doch in die schicke Trinkflasche ist ein Geheimfach für ein Smartphone eingebaut. Und in der Buchhülle ist ein kleiner Safe aus Metall versteckt.
Im Internet trenden solche Gadgets mit geheimen Handyfächern, darunter auch Spiegel mit doppeltem Boden, oder Powerbanks mit Hohlraum. Auf Pekings Straßen sorgen sie für Überraschung: „Wow, was ist das denn? Das hab ich noch nie gesehen“, sagt eine Frau. Eine andere meint: „Es ist richtig gut designed!“ Und ein Mann findet es „genial“. Da es etwas Neues sei, „checkt sicher kein Lehrer, dass darin ein Handy versteckt ist.“
Vor allem bei Grund- und Mittelschülerinnen und -schülern sind die Produkte beliebt, um das Smartphone ins Klassenzimmer zu schmuggeln. Denn seit vier Jahren sind dort Handys verboten. Einzige Ausnahme: Die Eltern beantragen eine Sondergenehmigung.
Ein Leben ohne Handy: kaum denkbar
Ein Leben ohne Telefon ist in China kaum denkbar, es ist sozusagen überlebenswichtig. Nicht nur zum Kommunizieren, sondern auch zum Bezahlen, im Supermarkt oder für das Leihfahrrad. Kreditkarten und Bargeld sind kaum verbreitet. Das erzählt auch die 35-jährige May, während sie in ihr Handy flüstert und gleichzeitig tippt. „Ich kann ohne mein Handy nicht leben“, sagt sie. „Ich habe aber festgestellt, dass die Menschen in westlichen Ländern weniger auf ihr Handy starren. Zum Beispiel in Restaurants, da sprechen die Leute ja richtig miteinander.“
Viele Jugendliche tun das nicht mehr. So wie Yu Shanshans Sohn Du Yisong. Der heute 14-Jährige war handysüchtig. „Er war nur noch zu Hause“, erzählt seine Mutter. „Er lag ausschließlich im Bett, mit dem Handy in der Hand, wollte nicht mehr raus, hatte keine Hobbys mehr.“ Die Mutter dreier Kinder aus Peking wusste sich nicht mehr zu helfen. Sie vernetzte sich mit anderen betroffenen Eltern. Außerdem liest Yu Shanshan viel zu dem Thema und baut mit professioneller Hilfe wieder eine Beziehung zu ihrem Sohn auf.
Kein neues Phänomen in China
Internet- und Handysucht sind in China kein neues Phänomen. Schon seit vielen Jahren versucht die kommunistische Führung dagegen anzukämpfen. Die staatliche Internetbehörde fordert, dass Jugendliche nach 22 Uhr keine Smartphones mehr nutzen. Tagsüber sollen Kinder maximal eine Stunde pro Tag surfen, Jugendliche ab 16 Jahren maximal zwei Stunden. Social Media Plattformen haben die Nutzung für Minderjährige bereits beschränkt.
Doch die Realität sieht anders aus. Auf der Straße, in Cafés, in der Bahn, auf dem Moped – überall starren die Menschen aller Altersgruppen auf ihren Smartphone-Bildschirm. Und die Abhängigkeit nehme zu, erklärt Cui Xinpeng. Seit 20 Jahren arbeitet der Psychologe mit Jugendlichen. Immer häufiger ginge es um Handysucht, erzählt er.
„Schnelles Belohnungsgefühl“
„Bis zum Alter von 25 ist der Teil des Gehirns, der für Selbstkontrolle zuständig ist, noch nicht vollständig ausgebildet. Aber das Belohnungszentrum sehr wohl“, sagt Cui Xinpeng. Deshalb seien Jugendliche besonders anfällig für Handysucht, ob Videospiele oder kurze Filme, „weil sie ihnen ein schnelles Belohnungsgefühl bescheren“.
Das kleine Therapiezentrum im Norden von Peking ist lichtdurchflutet, an der Wand hängen Dankesschreiben von Eltern, deren Kinder ihre Sucht überwunden haben. Von der Decke baumelt ein Boxsack, daneben ein Tischkicker – zum Stressabbau. Auf dem Fensterbrett stehen selbst gebastelte Figuren und Blumen aus Knetmasse.
„Hier können die Jugendlichen die Schönheit und den Wert ihres eigenen Lebens durch die Handarbeit erfahren“, sagt der Psychologe. „Es gibt ihnen Kraft, und Lebenswillen. Das ist was ganz anderes, als wenn sie ihr Handy in der Hand haben.“
Kinder im Umgang mit Handys schulen
Yu Shanshans Sohn hat seine Handysucht hinter sich gelassen. Er habe wieder Spaß am Sport, treffe sich mit Freunden und sei viel liebevoller mit seinen beiden kleineren Geschwistern, erzählt die 45-Jährige.
Doch Smartphones gehören in ihrem Haushalt weiter dazu. Yu Shanshan hat ihren jüngeren Kindern, zehn Jahre alt, bereits ein Gerät gekauft. „Heutzutage ist ein Handy wie ein Haushaltsgerät“, sagt sie. Man könne die Kinder nicht davor bewahren. „Und es ist für so viele Dinge nützlich, auch für die Hausaufgaben.“
Sie ist überzeugt: „Je früher Kinder lernen, mit Smartphones richtig umzugehen und zu verstehen, dass Handysucht krank machen kann, desto besser werden sie später mit ihrer Zeit umgehen können.“